Dokureihe, Deutschland 2015True
Die größte Genomgruppe des Menschen, etwa 1 Prozent der Gene, dient dem Geruchssinn. Über eine Billion Gerüche kann der Mensch theoretisch unterscheiden. Wozu dieser gewaltige Aufwand? Forscher nennen den Geruchssinn unseren Ur-Sinn. Das Riechhirn, wo die Geruchsmoleküle entschlüsselt werden, ist direkt mit dem limbischen System verbunden. Hier entstehen Erinnerungen und Emotionen. Deshalb ist die unmittelbare Reaktion auf einen Geruch ein Gefühl. Lange galt das Riechen als niederer Sinn, den der Mensch heute kaum noch brauchen würde. Doch nun stellt sich heraus, wir wussten einfach zu wenig über unseren Geruchssinn. 350 Riechrezeptoren gibt es, und noch immer ist umstritten, wie genau sie funktionieren. Die menschlichen Riechrezeptoren finden sich nicht nur im olfaktorischen Zentrum unserer Nase sondern überall: in der Leber, in den Nieren, im Hoden. Einer der profiliertesten Vertreter der Geruchsforschung, Professor Dr. Hanns Hatt von der Ruhr-Universität Bochum, hat nicht nur herausgefunden, dass Samenzellen dem Maiglöckchenduft von Eizellen hoffnungslos ausgeliefert sind er zieht sie unwiderstehlich an. Hatt fand außerdem Riechrezeptoren in Krebszellen - und zwar etwa 1000 Mal so viel wie in einer gesunden Zelle. Eine Entdeckung, die die Krebsforschung interessieren dürfte. Krebszellen in der Leber reagieren auf Zitronenduft: Sie hören auf, sich zu teilen. Das Geruchsempfinden des Menschen ist individuell, es gibt keine identischen Nasen. Und dennoch empfinden wir alle bei unangenehmen Gerüchen Ekel. Diese Funktion hat für den Menschen eine evolutionäre Bedeutung, nur der ho mo sapiens kennt eine solche Empfindung. Der Ekel ist zwar genetisch in uns angelegt, die Auslöser werden aber nicht von unserer DNA programmiert, sondern sind kulturell codiert. Jede Kultur hat ihr eigenes Ekelempfinden, behauptet Rachel Herz, Psychologin und Evolutionsbiologin von der Brown University. Dennoch gibt es Gerüche, die allen Menschen identische Botschaften vermitteln. Jeffrey Mogil von der McGill University in Montreal hat durch einen Zufall die Wirkung eines universellen Duftes entdeckt, auf den Mäuse, Katzen, Schweine und Menschen identisch reagieren: den Duft von Männlichkeit. Männliche Artgenossen reagieren auf männlichen Duft mit Stress. Noch weiter gehen die Forschungen von Bettina Pause, Psychologin an der Universität Düsseldorf, die ein ganzes System von Geruchsbotschaften untersucht, über das Menschen miteinander kommunizieren können. Sie hat herausgefunden, dass beispielsweise unser Empathievermögen über Geruchsmoleküle ausgelöst werden kann. Große Unternehmen versuchen, sich das zunutze zu machen. Die Industrie beginnt die Wirkung von Geruchsmolekülen im menschlichen Gehirn gerade für sich zu entdecken.